ODYSSEUS IM LAND DER PHAIAKEN

HOMER AUF DEM WEG VON MEER ZU MEER IN KALABRIEN VON LAMEZIA ÜBER TIRIOLO NACH SCOLACIUM

Homer lässt Odysseus im Land der Phaiaken den „Weg der zwei Meere“ über die kalabrische Landenge gehen, den engsten Isthmus von ganz Italien.  Homer beschreibt den Fußweg des schiffbrüchigen Odysseus vom Tyrrhenischen Meer zum Ionischen Meer. Nausikaa führt Odysseus zur Stadt mit dem Königssitz der Phaiaken auf der Wasserscheide zwischen den beiden Meeren.  Dort (in Tiriolo) erblickt Odysseus/Homer staunend zur gleichen Zeit die zwei Meere auf beiden Seiten der Stadt: das einmalige Panorama des Golfs von Lamezia im Westen und des Golfs von Squillace im Osten.  Diese Identifizierung gründet auf vier Argumenten:

 

  1. Bei Homer durchfährt Odysseus zweimal die Meerenge von Skylla und Charybdis. Dies war nach antiken Traditionen die Straße von Messina: Der Kurs verlief beim ersten Mal südwärts in Richtung Ithaka. Nach dem Schiffbruch am Ende der Meerenge, „kam aber schnell der Südwind (griechisch: nótos) herauf, ... auf dass ich noch einmal die böse Charybdis durchmessen sollte“ (Odyssee 12,427f.), beim zweiten Mal also nordwärts.  Bisher gelang es niemals, das Problem zu lösen, wie Odysseus – von Griechenland her gesehen hinter die Meerenge zurückgetrieben – mit Hilfe der Phaiaken heimkehren konnte, ohne ein drittes Mal die Meerenge von Skylla und Charybdis zu durchfahren.  Die Lösung ist einfach und verblüfft:  Das Land der Phaiaken liegt zwischen z w e i  M e e r e n , einem jenseits und einem diesseits der Straße von Messina: K a l a b r i e n . Odysseus, schiffbrüchig und nackt, rettet sich aus dem Tyrrhenischen Meer an die Westküste Kalabriens, durchquert zu Fuß das Land der Phaiaken und wird von der Ostküste Kalabriens auf einem Schiff der Phaiaken über das Ionische Meer heim nach Ithaka gebracht. Bisher hat niemand an diese Lösung gedacht, weil man stillschweigend immer unterstellte, dass das Meer, aus dem sich der schiffbrüchige Odysseus rettet, dasselbe Meer sei, über das er mit dem Schiff der Phaiaken heimfährt.  Diese Unterstellung führte zu keiner eindeutigen Lösung.  Das Land der Phaiaken wurde nicht nur in Korfu, sondern – mehr oder weniger willkürlich – an über 25 Orten der Welt von Norwegen bis Afrika und von Florida bis China gesucht. 

 

  1. Kalabrien wird als Phaiakenland dadurch bestätigt, dass es Homer niemals eine Insel nennt (gr.: nêsos), sondern vielmehr schería (5,34; 6,.8; 7,79; 13,160), das heißt etymologisch Festland oder K o n t i n e n t. Es steht im Gegensatz zu den zuvor besuchten Inseln des Aiolos, der Kirke, des Helios und der Kalypso, die zu Sizilien gehören. Homer spricht wie die Sizilianer heute. Sie sagen, wenn sie nach Kalabrien fahren: Ich fahre auf den Kontinent.

 

  1. Für Homer erschien das Land der Phaiaken „im Meer wie ein S c h i l d“ (rhinón, 5,281).  Dieser Schild homerischer Zeit mit seinen typischen zwei halbrunden Einbuchtungen entspricht in seiner Form der Landenge von Kalabrien mit ihren zwei Golfen von Lamezia und von Squillace (P r o v i n z  C a t a n z a r o).  Hier liegt die engste Stelle von ganz Italien.  Sie misst nur etwa 30 km Luftlinie von Meer zu Meer.  Homer spricht von einem Fußweg an drei Tagen. Aus dem Tyrrhenischen Meer im Westen kommend, landet Odysseus dort, wo das Land „am engsten“ ist (5,280, das griechische Wort ánchiston entspricht dem lateinischen angustus und dem deutschen eng, nicht: am nächsten).  Er sucht zur Landung „flach bespülte Ufer und Buchten (liménas) des Meeres“ (5,418;440).  Dies bieten – im Unterschied zur Steilküste beim Capo Vaticano – die Ebene und der Golf von  L a m e z i a. Odysseus rettet sich „in die Mündung eines Flusses“ (5,441). Homer deutet hier auf die Mündung des (L)amato nahe dem heutigen Flugplatz von Lamezia.  Der Weg geht – nach einer Erschöpfungspause – dann den Fluss „hinauf bis zum Berghang und dem schattigen Wald ... nahe dem Wasser“ (5,470,475), d. h. dorthin, wo der Lamato aus den Bergen und dem Wald der Sila heraustritt, ungefähr bei der Brücke nahe der heutigen Bahnstation von  M a r c e l l i n a r a, auf der die alte Straße von Meer zu Meer den Lamato überquert.  
  1. Odysseus trifft Nausikaa und deren Mägde am Fluss beim Wäsche waschen. Die bezaubernde Tochter des Phaiakenkönigs Alkinoos gibt Odysseus eine bedeutungsvolle Auskunft über das Phaiakenland: „Eine schöne Bucht ist auf jeder der beiden Seiten der Stadt“ (6,263), d. h. nicht nur in dem Meer, aus dem du gekommen bist, sondern auch auf der anderen Seite, die du jetzt noch nicht siehst. Sie fügt eine wichtige Charakterisierung hinzu: „schmal ist nämlich die Landenge (Isthmus)“ (6,264, lepté d’eisí(s)thme; nicht: Eingang).  Nausikaa führt Odysseus bis zur Stadt.  Dort „erblickt er mit Erstaunen“ (thaúmazen) gleichzeitig die zwei Buchten (7,43, das griechische Wort liménas umschließt Häfen, Zufluchtsorte, Buchten, Golfe) auf den beiden Seiten der Stadt und des so schmalen Landes.  In der zweiten Meeresbucht liegen sogar richtig gehende Schiffe. Hier gibt es tatsächlich zwei Buchten der Rettung, die eine aus dem Schiffbruch, die andere für die Heimkehr nach Ithaka. Daher ist die Stadt mit den „hochberühmten Häusern des Königs“ (7,46) der Phaiaken im Gebiet von T i r i o l o  zu suchen; denn dieser beherrschende Ort auf der Wasserscheide zwischen dem Tyrrhenischen und dem Ionischen Meer bietet den einzigartigen Blick auf die zwei Meere – gleichzeitig von derselben Stelle 

Am Hof von Alkinoos und Arete, den Eltern Nausikaas, wird Odysseus gastfreundlich aufgenommen. Odysseus erzählt dort von den Abenteuern und Leiden auf seiner Reise, lokalisierbar von Troia am griechischen Kap Maleia und der Insel Kythera vorbei verjagt über das Mittelmeer nach Tunesien, Malta, rund um Sizilien, schließlich bis nach Kalabrien.  Tags darauf wird Odysseus hinunter zum Ionischen Meer geleitet.  Die Abfahrt auf dem Schiff der Phaiaken ist nahe der Mündung des  C o r a c e  vorzustellen, zwischen C a t a n z a r o  L i d o  und R o c c e l l e t t a.  Dort entstand später die griechische Kolonie Skylletion und das römische Scolacium (jetzt die Ausgrabungen in Roccelletta).  Nach Cassiodor soll S c o l a c i u m sogar von Odysseus gegründet worden sein (Variae XII 15)!  Von dort brachte ein schnelles Schiff der Phaiaken Odysseus über das Ionische Meer direkt heim nach Ithaka.  Der Reichtum der Phaiaken scheint auf ihrer Seefahrt und der Herrschaft über den Weg der zwei Meere beruht zu haben (vergleichbar mit Korinth am Isthmus von Griechenland). 

Die Legende von Odysseus kann bis zum Krieg um Troia im 12. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen, Homer lebte jedoch im 8. Jahrhundert v. Chr.  Daher kann es sich in der Odyssee Homers kaum um eine historische Reise des Odysseus, des Helden von Troia, handeln, sondern vielmehr darum, wo Homer glaubte, dass diese Reise stattgefunden habe.  Als ältester bekannter Lokalisator der Reise des Odysseus suchte der Dichter die legendären Orte der Abenteuer des Odysseus in der geographischen Realität seiner eigenen Zeit, vier Jahrhundert nach Odysseus.  Homer lebte in der Epoche der griechischen Westkolonisation in Sizilien und Kalabrien (M a g n a  G r a e c i a): Daher konnte er Kenntnis von diesen Orten haben.  Insofern ist die Odyssee ein einzigartiges Dokument aus dem 8. Jahrhundert v. Chr.  Möglicherweise gründete Homer auf eigenen Erfahrungen, verborgen unter dem Namen des Odysseus. Der Dichter selbst sagt: “Ich bin Odysseus” (9,19)  

Armin Wolf, Historiker, geboren 1935 in Berlin, ehem. Max-Planck-Institut in Frankfurt am Main und Professor an der Universität Heidelberg, 

Überlegungen zu diesem Thema wurden erstmals unter den Namen der beiden Brüder Hans-Helmut und Armin Wolf publiziert::Der Weg des Odysseus: Tunis, Malta, Sizilien in den Augen Homers (Tübingen: Wasmuth 1968).  Das Echo¸ das dieses Buch fand, war international und enorm. Es reichte von überwiegend enthusiastischer Zustimmung („Schlußstrich unter Spekulationen“, „Ei des Columbus“. „Werk deutscher Genauigkeit“) bis zu unerbittlicher, kompromissloser Ablehnung („nichts, was ernsthaft zu erwägen ist“, wirklich empörend“).  Armin Wolf antwortete auf die Kritik, überarbeitete und erweiterte das Werk in weiteren Ausgaben (1983, 1990, 2009).  Das Buch behandelt auch kritisch die grundsätzliche die Frage, ob die Odyssee überhaupt einen geographischen Bezug hat oder in einem Märchenland spielt. Die dritte Ausgabe bildete die Grundlage für zwei Filme des ZDF „Auf Kreuzfahrt mit Odysseus“ (erstmals ausgesendet 1990).  Die vierte Ausgabe „Homers Reise, Auf den Spuren des Odysseus“ (Köln 2009, XVI + 410 Seiten, 176 Abbildungen im Text und 65 farbige Illustrationen auf Tafeln, ISBN 978-3-412-20407-5, Preis 34,90 €) wurde im Januar 2010 von einer Jury aus 24 Journalisten und Professoren in die Liste von 10 empfohlenen „Sachbüchern des Monats“ auf dem Gebiet der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften gewählt (Süddeutsche Zeitung). Armin Wolf hat Vorträge zu dem Thema nicht nur in Deutschland und Italien, sondern auch in Frankreich, Belgien, Griechenland, Malta, den USA und Kanada gehalten.  Das Buch enthält überdies die erste Geschichte von über 100 Lokalisationen der Odyssee von Homer bis heute. Eine italienische Übersetzung erschien unter dem Titel „Ulisse in Italia: Sicilia e Calabria negli occhi di Omero“ (Catanzaro 2017, XIV + 410 Seiten, ISBN 978-88-99676-04-9) .  Sie enthält den nahezu gleichen Bildteil wie die 4. deutsche Ausgabe.  Sie ist zum Preis von 10 € erhältlich z. B. in Buchhandlungen von Catanzaro und am Flughafen von Lamezia, in manchen Buchhandlungen oder per mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! plus Porto 5 €.

2009

2017

Armin Wolf e Giuseppe Critelli
primi studi Odissea - 
1968

Ristorante Due Mari Tiriolo

8 settembre 2015
Homers Reise, la Televisione Svizzera intervista il prof Armin Wolf  
e la moglie Jngeborg

Ristorante Due Mari Tiriolo

Oggi nel ricordo del passaggio di Ulisse, Tiriolo ha eretto un monumento commemorativo in calcare bianco, opera del pittore e scultore Maurizio Carnevali di Lamezia Terme posto in piazza Italia, che rappresenta Ulisse che guarda i due mari, ai suoi piedi Dioniso, Venere, Marte e l’aquila di Zeus.